Autorenblog

Autor: Frauke Mählmann (Seite 1 von 9)

Jahresrückblick 2020

Auf dem Kalenderblatt prangt unübersehbar der Schriftzug „Januar“ und es ist an der Zeit für einen Jahresrückblick auf das Jahr 2020. Ein Jahr, in dem so einiges anders gelaufen ist, als geplant. Auch bei mir. Und das nicht nur im Bereich der sozialen Kontakte oder dem umstrukturierten Alltag, sondern auch beim Schreiben.

Kann sich noch jemand an meinen Jahresrückblick und die  Vorsätze für das vergangene Jahr erinnern? Wenn nicht, macht das nichts, ich musste mir den Beitrag auch noch einmal durchlesen. Ich bin mit jeder Menge Pläne und Verbesserungsansätze in das Jahr gestartet. Habe ich sie einhalten können? Wie ist es gelaufen? Eine kleine Bestandsaufnahme:

Meine Schreibprojekte

Ich muss zugeben, dass ich sehr viel weniger geschafft habe, als gehofft. Große Fortschritte habe ich fast nirgendwo zu verzeichnen, aber dafür habe ich neue Dinge ausprobiert.

Ich bin über ein paar Punkte in meiner aktuellen Reihe gestolpert, mit denen ich nicht wirklich glücklich bin. Aus diesem Grund habe ich eine kleine Krise mit dem zweiten Band der „Insel der drei Völker“ gehabt, die ich immer noch nicht ganz behoben habe. Ich arbeite weiter an der Geschichte, aber wie genau ich zukünftig damit umgehen werde, kann ich noch nicht sagen. Vorläufig priorisiere ich andere Projekte, die zumeist noch etwas jünger sind.

Die freigewordene Zeit habe ich unter anderem genutzt, um ein wenig mit Kurzgeschichten herumzuexperimentieren. Eine ziemlich interessante Erfahrung, und ich bin wirklich froh darüber: Mein aktuelles Lieblingsprojekt fällt in diese Kategorie, und auch, wenn ich noch nichts Vorzeigbares produziert habe, ist es die Freude auf jeden Fall wert.

Zum allerersten Mal habe ich auch am diesjährigen NaNoWriMo teilgenommen! Das Projekt, mit dem ich dort gestartet bin, steckt noch sehr in den Kinderschuhen, aber ich habe Hoffnung. Einen genaueren Rückblick zum November findet ihr übrigens hier, sollte Interesse bestehen. 🙂

Meine Vorsätze vom letzten Jahr waren allerdings auch sehr auf die Qualität meiner Arbeit bezogen. Ich hatte einige Ecken und Kanten in meinen Texten ausgemacht, um die ich mich kümmern wollte. Zumindest dem Plan, mehr Fokus auch auf Nebencharaktere zu legen, bin ich soweit ich sehe gefolgt. Ich habe bei der Planung mehr Zeit auf ihre Hinter- und Beweggründe gelegt, aber da meine neuen Projekte noch nicht besonders ausgereift sind, kann ich leider noch nicht beurteilen, wie gut sie sich dann in der Geschichte machen werden.

Social Media und Blog

Ahhh, hier kommen wir zum unangenehmen Teil. Es ist quasi unmöglich zu übersehen, dass ich meine Aktivitäten sowohl hier als auch anderswo drastisch zurückgefahren habe. Letztes Jahr habe ich mir noch den Kopf über rechtzeitiges Hochladen zerbrochen – dieses Jahr habe ich diesen Luxus schon gar nicht mehr. Aus Zeitgründen kann ich meine Seite nur noch sporadisch mit Inhalt versorgen, was leider bedeutet, dass ich von Zeit zu Zeit vom Radar verschwinde und monatelang abtauche.

Ich finde das sehr schade, aber anders ist es leider nicht machbar. Ich schreibe diese Beiträge sehr gerne und freue mich über jeden, denn ich fertigstellen kann – genau, wie ich mich über jeden Besucher freue, der während meiner Abwesenheit mal vorbeischaut!

Sonstiges

Was Veranstaltungen anging, lag dieses Jahr wohl bei uns allen brach. Keine Veranstaltungen, keine Reisen, keine Buchmessen.

Ein kleines Highlight gab es dann aber doch: Im letzten Februar waren mein Buch und ich als Gäste bei einem Abend im lokalen Dorftreff eingeladen.

Eine schöne Erinnerung an einen angenehmen Abend kurz, bevor sich alles auf den Kopf gestellt hat.

Ein ganz schön seltsames Jahr. Alles in allem habe ich Glück gehabt – Ich bin ohne dramatische Krisen oder tiefe, persönliche Einschnitte durch Sommer und Herbst gekommen. Ich bin Dankbar dafür und ich hoffe, dass diejenigen unter euch, für die es weniger vorteilhaft gelaufen ist, im neuen Jahr wieder bergauf gehen wird.

Ich wünsche euch alles Gute für 2021 und bis zum nächsten Mal!

Meine NaNoWriMo-Erfahrung

Der National Novel Writing Month. Wenn man sich in den Bücherbubbles und Schreibcommunities des Netzes bewegt, kommt man nur schwer um ihn herum. Selbst, wenn man selbst nicht teilnimmt: Der NaNoWriMo, wie er oft abgekürzt wird, ist in aller Munde. Schreibende halten einen über lange Arbeitssessions am Laufenden oder posten stolz ihre Wordcounts.

Der NaNoWriMo ist ein Projekt oder, vielleicht eher eine Challenge, dessen Anfänge im Jahr 1999 liegen. Es geht dabei darum, während des Monats November 50.000 Wörter zu Papier zu bringen. Das Ziel ist „ein Buch zu schreiben“. Der Gedanke dahinter ist, diesen Anlass als Motivationshilfe zu nutzen, sich endlich zusammenzureißen. Dieses eine Ding, dass man schon immer mal schreiben wollte, muss man eben einfach  anfangen! Oder, man nutzt den Anreiz, um endlich ein paar Fortschritte mit einem Laufenden Projekt zu machen, jeder, wie es passt.

Obwohl ich schon oft viel vom NaNoWriMo gehört hatte – wie bereits erwähnt, man muss schon blind sein, um nicht darüber zu stolpern – habe ich mich bisher immer dezent aus der Schreiberei herausgehalten. Irgendwie hatte ich immer den Gedanken im Kopf dass ich, wenn überhaupt, gerne mit einem neuen Projekt in den Monat starten würde anstatt mit einem bereits laufenden. Da ich bisher immer schon eins in Arbeit hatte, fiel das flach. Aber dann habe ich diesen Sommer mein aktuelles Projekt auf unbestimmte Zeit vom Schreibtisch auf das Regalbrett verschoben, und auf einmal war ein wenig Zeit für etwas ganz Neues da. Genau das, was ich brauchte.

Also habe ich mich eingeklinkt. Hier sind meine Erfahrungen:

Wie ist es gewesen?

Um es direkt am Anfang zu sagen: Ich habe den NaNoWriMo nicht bis zum Ende durchgezogen. Zwar habe ich mir größte Mühe gegeben, mir in meinem Tagesablauf Zeit für das Schreiben freizuschaufeln, aber die Arbeit, die sich durch das neue Unisemester daneben aufgehäuft hatte, war dann doch zu viel. 

Meine Statistik mag nicht gerade vorzeigbar sein, aber es hat trotzdem Spaß gemacht, etwas mehr Zeit auf das Schreiben zu verwenden. Die Geschichte selbst hat sich allerdings als etwas störrisch erwiesen. Neue Charaktere sind noch etwas verschlossen und tanzen nicht so recht nach meiner Pfeife, aber ich denke, zu einigen habe ich dann doch einen guten Zugang gefunden.

Am Ende meiner Teilnahme bin ich aber vor allem eins gewesen: Erschöpft. Leider hat sich auch durch den gesamten Dezember hindurch verschleppt.

 

Was hat es gebracht?

Meiner Einschätzung nach bin ich in den ersten drei Novemberwochen um einiges produktiver gewesen, als ich es unter normalen Umständen gewesen wäre. Ich bin zwar noch recht unzufrieden mit den entstandenen Seiten, aber es ist ein guter Start für mein neues Projekt. Im neuen Jahr kann ich mich mit allem weiteren befassen. Ich habe ein Grundgerüst für die ersten Kapitel, an dem ich noch etwas Detailarbeit leisten und mit dem ich danach gut weiterarbeiten kann.

Es ist auch schön zu sehen, wie viel ich eigentlich in einer Sitzung schaffen kann, wenn ich wirklich will. Das ist eine Erkenntnis, die ich als notorische Langsamschreiberin hoffentlich noch lange im Gedächtnis behalten werde.

Auf der negativen Seite hat mir dieser Arbeitsintensive Monat einen sehr unproduktiven Dezember beschert.

Was ist mit nächstem Jahr?

Ganz ehrlich? Wenn mir dieses Jahr eins gezeigt hat dann, dass ich im nächsten Jahr sehen muss, wie ich stehe und wie viel ich stemmen kann. Aber wenn möglich, freue ich mich schon darauf!

 

Euch allen einen wundervollen Rutsch in neue Jahr!

 

Invasive Schreibstile? Gibt es das?

Wenn es um die Entwicklung des eigenen Schreibstils geht, kriegen Autoren oft Tipps wie diese zu hören:

„Lies die Bücher, die andere geschrieben haben.“

„Schau, was andere Autoren machen und was dir daran gefällt.“

Die Ansicht, dass das Geschriebene anderer eine Art Werkzeug sein kann, um das Handwerk des Schreibens für sich selbst zu erschließen  ist weit verbreitet. Sie taucht immer wieder auf Schreibblogs, in Foren oder Ratgebern auf. Alleine beim Schreiben dieses Blogbeitrags bin ich auf mehreren Seiten darüber gestolpert ( Wie zum Beispiel hier, auf der Seite einer Schreibmentorin oder hier, auf dem Blog einer anderen Autorin).

Dass man Bücher nutzen kann, um an seinem eigenen Schreibstil zu feilen, scheint also weitgehend akzeptiert zu sein.  Aber funktioniert das auch unbewusst? Übernehmen wir beim Schreiben manchmal Elemente aus den Büchern, die wir gerade lesen? Basteln sie, ohne es zu merken, in unsere Manuskripte mit ein? Gibt es so etwas wie einen „Invasiven Schreibstil“, der von außerhalb in die Arbeit eingeschleppt wird, wenn auch nur vorübergehend?

Leider konnte ich zu diesem Thema weitaus weniger Meinungen finden und muss mich deswegen auf meine eigenen Erfahrungen beschränken. Und ich denke: Ja, der Schreibstil der Bücher, die ich lese, schwappt von Zeit zu Zeit in meine eigenen Arbeiten über.

Zum ersten Mal ist mir das vor einigen Jahren aufgefallen.  Ich hatte mir in der Schulbibliothek ein Buch ausgeliehen und mich bereits durch einen Großteil der Geschichte hindurch gegraben. Das Buch war nicht besonders gut. Die Sätze kamen mir plump vor und sagten mir nichts, ich fand es schwer, der Handlung zu folgen . Ich war, um ehrlich zu sein,  ziemlich froh als ich das Buch beendet hatte. Als ich mich danach an mein eigenes Manuskript setzte, bemerkte ich aber dass mir das Schreiben deutlich schwerer fiel: Ich rutschte immer wieder in die Ausdrucksweise des Buches ab, die mir so wenig gefallen hatte. 

Dieses Problem hielt sich zwar nur für einen Tag, aber es hat mich trotzdem zum Nachdenken gebracht.

Seit ich vermehrt Serien und Filme schaue ist mir außerdem aufgefallen, dass ich mir die Szenen meiner Bücher vermehrt visuell vorstelle. Ich muss mir dann wieder in Erinnerung rufen muss, dass Erzähltechniken für verschiedene Medien unterschiedlich funktionieren.  

Ich vermute dass das, was ich mir oft ansehe oder durchlese sich kurzeitig in mein Gedächtnis eingräbt und dann in später unbewusst abgerufen wird. Ähnlich funktioniert es ja auch, wenn wir uns an die Erzählmuster eines Genres gewöhnt haben und Teile der Handlung bereits erahnen können oder wenn wir häufig genutzte Formulierungen benutzen. Beispiele hierfür wären „Ein kalter Schauer lief ihr den Rücken hinunter“, wenn ein Charakter mit etwas Unheimlichen konfrontiert ist oder „Ihr Herz begann, wie wild zu klopfen“.

Wie bereits erwähnt, ich habe aber nur sehr wenige solcher Erfahrungen in Foren und anderen Seiten gefunden, weswegen mich eure Meinung interessiert. Gibt es so etwas wie einen „invasiven Schreibstil“? Habt ihr so etwas beim Schreiben schon einmal bemerkt?

Ich freue mich über Kommentare!

Habt ein schöne Zeit bis zum nächsten Mal! 🙂

 

 

 

Poetische Lückenfüller #10

Da die Welt ja ohnehin verrückt spielt, ist wohl nichts gegen einen poetischen Ausflug in die Dystopie einzuwenden, oder? Wie dem auch sei, hier ist er 😉

 

Winde peitschen um die Mauern,

peitschen stark und schnell,

sehen in Ecken Ratten kauern,

denn ein Blitz zuckt hell.

 

Zwischen schmutzigen Ruinen

sind die Straßen leer gefegt,

keiner singt mehr von „den Kühnen“,

weil sich kaum noch wer bewegt.

Hastig patschen durch die Pfützen

Füße, lebend, aber kalt,

die Augen unter dunklen Mützen:

Das Versteck gibt ihnen Halt.

 

Diese tote, alte Stadt

ist einmal ihr Heim gewesen,

bevor man sie erobert hat,

in Büchern ist davon zu lesen.

 

Ja, für diese jungen Geister

scheint die Welt von einst sehr fern.

Von oben herrscht ein neuer Meister

und Angst dient dem Besetzungsherrn.

 

Gegen diese fremden Mächte 

kamen Staaten nicht zum Zug,

Mut und Taktik, die Gefechte:

Bomben waren nicht genug.

 

Im Norden, Wüsten, Bergwaldland,

In Städten und der tiefen See

ist das Ackerland verbrannt

und die Spuren deckt der Schnee.

 

Doch im dunklen Kellerzimmer

haben Menschen sich verborgen.

Die Augen auf den Hoffnungsschimmer,

so kämpfen sie, für’s neue Morgen.

 

Um die nächste Ecke biegt

ein Trupp, der auf den Weltraum schwört.

Hör hin, die erste Kugel fliegt,

Weil unsre Erde ihm gehört.

 

In die Regenbogenpfützen

sickert langsam warmes Blut,

zurückgelassen von den Schützen,

für die es nichts zur Sache tut.

 

Doch im ersten Licht der Sonne,

das auf Wachsgesichter fällt,

kriecht aus einer Wassertonne

ein Jemand, der die Leichen hält.

 

Und mit drückend schwerem Schweigen

bringt man diese Freunde heim:

Sie sollen nicht im Freien bleiben, 

kein Futter für die Raben sein.

 

So lange Menschen Menschen bleiben,

und auch in einem bösen Jahr

sich nicht der Grausamkeit verschreiben,

so lange bleiben sie noch da.

 

Und wenn wenn sie nun mit leisem Gruß

die Toten in den Fluss entlassen,

stehen sie doch auf festem Fuß,

weil sie sich an den Händen fassen.

 

 

Schneller ans Ziel mit mehr Vorarbeit?

Erinnert ihr euch noch an den Beitrag, eine halbe Ewigkeit ist’s her, der einen ganz ähnlichen Titel trug? „Immer den bunten Linien nach: schneller ans Ziel mit mehr Vorarbeit?“ ?

Wenn ja, dann erinnert ihr euch vielleicht noch daran, dass ich darin eine neue Arbeitsmethode vorgestellt hatte. Diese Herangehensweise wollte ich ausprobieren und sehen, ob sie meine Fortschritte positiv beeinflussen würde. Ich hatte auch angekündigt, einen Folgebeitrag zu schrieben, sobald ich ein bisschen etwas zu meinen Erfahrungen damit zu sagen hatte. Nun, der heutige Beitrag ist dieser Beitrag. Wenn ihr euch also den Ersten noch einmal durchlesen wollt ist das kein Problem, ich verlinke ihn hier.

Wie funktioniert’s?

Zur Auffrischung: Die Idee hinter dieser Methodik war, die Geschichte genauer durchzuplanen, bevor es ans Schreiben geht. Ich hatte damit begonnen, Zeitleisten mit den verschiedenen Handlungssträngen zu zeichnen, um genau zu sehen, in welchen zeitlichen Zusammenhang die wichtigen Ereignisse zueinander stehen. Dann schrieb ich detaillierte Beschreibungen der einzelnen Kapitel und Szenen, um schon im Voraus zu wissen, was genau passieren sollte. Die Hoffnung war, dass mir das beim Schreiben später Zeit sparen könnte.

Was hat sich seit dem geändert?

Das Wichtigste zuerst: Selbst der strengste Kapitelplan kann mich nicht vom Improvisieren abhalten. Das habe ich gelernt. Im Plan steht etwas von einer lockeren Atmosphäre und Entspannung für die Charaktere? Ein bedrücktes Beisammensein gefällt mir gerade aber besser. Ich habe dieses kleine Stück Handlung vergessen? Egal, funktioniert auch so.

Die Geschichte funktioniert immer noch dynamisch und hat ihren eigenen Willen.  Das ist gut so. Manchmal führt eine ausformulierte Szene nun einmal in eine Richtung, die man in den Stichpunkten noch nicht erahnen konnte. Etwas Nachbesserung hat da noch niemandem geschadet, eher im Gegenteil. 

Eine Auswirkung der Methode ist allerdings auch, dass ich noch stärker auf mein Notizbuch abgewiesen bin. Ich habe teilweise über zwei Seiten Notizen für nur ein Kapitel. Das kann ich mir nicht alles merken. Wo immer ich beschließe, zu arbeiten, muss ich auch das Notizbuch griffbereit haben, um nichts wichtiges zu vergessen.

Haben sich die Hoffnungen erfüllt?

Wie man es nimmt. Schreibe ich schneller? Nein, ich denke nicht. Es kommt immer noch vor, dass ich bei langsamen Szenen oder Übergängen ins Schwimmen gerate und nicht so recht weiß, womit ich diese Lücken füllen soll. Nach wie vor frisst diese Unschlüssigkeit Zeit. Hinzukommt, dass die Vorbereitung ziemlich zeitintensiv ist. Einer der Gründe, aus denen dieser Blogbeitrag erst so spät erscheint, ist, dass es mich Monate gekostet hat, meine Zeitleisten und Pläne zu schreiben.

Ein Reinfall also? Wieder nein. Mein Schreibtempo hat sich zwar nicht verbessert, aber dafür meine ich, einen Anstieg an Qualität zu beobachten. Ich habe dank der Vorbereitung ein besseres Verständnis dafür, In welche Richtung sich einzelne Handlungsstränge und Charakterentwicklungen bewegen. Ich habe das Ziel vor Augen. Plotholes und unnütze Szenen fallen schneller auf und können beseitigt werden, bevor viel Arbeit in sie investiert wurde. Ich kann die einzelnen Elemente besser koordinieren und aufeinander abstimmen.

Als kleiner Bonus habe ich so auch die Möglichkeit, Kampfszenen, die mir sonst große Schwierigkeiten bereiten, genauer zu choreographieren. 

Ich habe noch nicht sonderlich viel mit meiner neuen Methode geschafft, erst ein paar Kapitel. Zumindest bei meiner Wattpadgeschichte „Batsong“ bin ich allerdings echt begeistert davon, wie viel besser das Schreiben so geklappt hat.

Ich schreibe vielleicht nicht schneller, aber dafür, denke ich, besser. Und das ist mindestens genauso viel Wert, wenn nicht mehr.

Meine neue Methode behalte ich also erst einmal bei – so lange, bis mir etwas neues Einfällt 😉

Bis dahin: Habt eine schöne Zeit, und bis zum nächsten Mal!

Meine Notizbücher im Laufe der Zeit

Wenn ich schreibe, brauche ich nicht viel dazu: Einen Stift, Papier, wenn es an den Feinschliff geht, einen Laptop. Aber neben diesen offensichtlichen Dingen gibt es ein weiteres Werkzeug, das unerlässlich ist: Meine Notizbücher.

Über die Jahre habe ich ungefähr vier bis fünf von ihnen gefüllt. Sie haben mich durch einiges an Schreibarbeit und Projekten begleitet, in einer Zeit, wohlgemerkt, in der ich selber ziemlich gewachsen bin. Als ich mein erstes Notizbuch bekam, war ich zwölf, seitdem ist viel passiert. Ungefähr sechs Schuljahre zum Beispiel, oder meine erste Veröffentlichung.

Natürlich hat sich über die Jahre auch meine Art zu Arbeiten, mein Schreibstil und meine Herangehensweise geändert. Wie viel von diesem Wandel hat sich in meinen Notizen niedergeschlagen? Um das herauszufinden, habe ich die alten Bücher noch einmal durchgeblättert und mich auf eine kleine Zeitreise begeben:

Mein erstes Notizbuch war ein billiges kleines Heftchen, dass ich auf einem Geburtstag gewonnen hatte. Es ist zerknickt, hat einiges mitgemacht und auch der Inhalt ist mitunter schwer zu entziffern. Die ersten Seiten sind vor allem mit einem gefüllt:  Listen mit Geschichten, die ich irgendeinmal schreiben wollte. Je weiter man im Buch vorankommt, desto mehr werden diese kleinen Story-Pitches von Gedichten und tatsächlicher Planungsarbeit, das heißt Zeichnungen meiner fantastischen Welten oder Notizen zum Plot meiner damals aktuellen Arbeit, abgelöst. Es finden sich aber auch vermehrt Dinge, die rein gar nichts mit dem Schreiben zu tun haben. Mein kleines Brainstorming zur Gestaltung eines Geburtstagskuchens gehört dazu sowie eine Sammlung althochdeutscher Wörter. Ich hatte sie einfach so, aus Interesse aufgeschrieben. Ein sehr interessantes Detail ist auch, dass sich im letzten Teil des Notizbuches langsam auch  die englische Sprache in meine Gedichtsammlung schleicht.

Ein Trend, der sich im nächsten Notizbuch fortsetzt. Anders als im Ersten bin ich hier schon um einiges strukturierter vorgegangen. Anstatt bloß Ideen zu notieren habe ich Figuren in kurzen Texten genauer charakterisiert und mir Notizen zu Recherchen aufgeschrieben. Es enthält sogar schon eine grobe Ausformulierung des Plots meiner aktuellen Geschichte. Daneben stehen Links zu Schreibwettbewerben , die mich interessiert haben oder sogar Gedichte, die als Beiträge gedacht waren. Ich hatte sogar schon angefangen, mir Tipps für das Marketing der eigenen Bücher herauszuschreiben. Abgesehen davon gibt es natürlich auch weiterhin  Gedichte, die ich in Ruhe und zum Spaß geschrieben habe, genau wie auch im dritten Notizbuch.

Hier tritt aber der Gebrauch des Englischen und, vor allem zum Ende hin, das Plotten von Geschichten noch deutlich mehr zu Tage. Viele Geschichten, an denen ich im Augenblick noch arbeite, sind hier intensiv geplant. Das meiste ist also noch ziemlich frisch. Klappentext und Autorenvita zu „Die Inse der drei Völker sind hier zu finden. Auch sonst steckte ich deutlich mehr Arbeit in die Vorbereitung des Schreibens, auch in die Planung von Blogbeiträgen. Dazwischen sind Seiten verstreut, auf denen ich mich auf meine mündliche Abiturprüfung vorbereitet habe oder Einkaufslisten vermerkt wurden. Viele verschiedene Dinge fliegen da durcheinander.

In meinem aktuellen Notizbuch sieht die Sache hingegen anders aus. Es ist beinahe ausschließlich mit, für meine Verhältnisse, ausführlichen Kapitelplänen und Zeitleisten gefüllt. Sie sind Teil einer Methode, die ich sie seit einiger Zeit zum Plotten benutze (den entsprechenden Blogbeitrag gibt es hier). Die einzige Ausnahme ist die Vorbereitung einer Bastelstunde, die ich im November auf meiner Arbeitsstelle anleiten wollte.

Die deutlichste Entwicklung in diesen Büchern ist ein Wandel vom spontanen Schreiben hin zur Methodik. Der Anfang sind eindeutig Spielereien, plötzliche Ideen, die irgendwo abgelegt werden müssen. Es ist ein, wie ich finde, wunderschönes Durcheinander von Kreativitätsschüben, Langeweile und, manchmal, schlechten Tagen. Langsam, Schritt für Schritt, sind meine Notizen dann zu einer Art Arbeitsplatz geworden: Die Ziele lauten Effektivität und Produktivität. 

Aber beim Rückblick auf meine Notizbücher zählt nicht nur der Inhalt: Sie haben für mich auch einen emotionalen Wert, eben weil ich sie so oft so lange mit mir herum getragen habe.

Die einzelnen Gedichte reichen aus, um mich sofort wieder in den Augenblick ihrer Entstehung zurückzuversetzen. Auch,  wenn ich sie eigentlich schon vergessen hatte, sind die Bilder wieder da. Die Themen dieser Texte natürlich auch sehr persönlich, was sicher dazu beiträgt. Schreiben war für mich schließlich die einfachste Art, mich im Stillen mit mir selbst oder meinen Problemen auseinander zu setzten. Ich bin über ein paar alte Zeilen  gestolpert, bei denen ich mich fast erschrocken habe, so traurig klangen sie. Diese Bücher sind mit mir wirklich durch alle Höhen und Tiefen gegangen.

Ich habe es bis heute nicht über’s Herz gebracht, mein erstes Notizbuch in mein Regal zu stellen. Es liegt immer noch auf meinem Nachttisch, obwohl ich es schon lange nicht mehr für nächtliche Einfälle brauche. Ich wollte es wohl einfach dicht bei mir behalten.

Interessant ist aber, dass ich dieses Problem mit den anderen beiden Notizbüchern nicht hatte. Ja, sie sind mir auch sehr wichtig, aber ich hänge lange nicht so sehr an ihnen wie an diesem ersten.

Wahrscheinlich liegt es daran, dass ich heute älter bin, aber ich denke auch, dass der verschobene Fokus der Notizbücher seinen Teil dazu beiträgt. Wie oben schon gezeigt: Mittlerweile ist es viel weniger „Ich“ und umso mehr „Arbeit möglichst gut machen“.

Das ist gut so. Aber gleichzeitig auch nicht. Denn Schreiben muss, ohne Frage, erwachsen werden und kann nicht immer Kindergekritzel bleiben. Aber ich finde den Gedanken schade, das spontane und emotionale daran zu verlieren – was passieren kann, wenn man sich zu sehr auf seine Deadlines und Pläne einschießt

Was ich aus meinem Rückblick mitnehme, ist, dass ich beim Schreiben große Fortschritte gemacht habe und stolz darauf sein kann. Vielleicht  sollte ich es aber nicht immer zu ernst nehmen. Produktivität und Fortschritt? Klasse! Aber es sollte auch okay sein, mit ein paar Reimen herumzuspielen oder aus einer Laune heraus einen kleinen Text zusammenzubasteln. Es muss nicht alles der To-Do Liste entsprechen.

Benutzt ihr Notizbücher, um eure Ideen festzuhalten und eure Geschichten zu planen? Wenn ja, hängt ihr genauso an den alten wie ich und habt sie noch bei euch herumstehen? Ich würde mich freuen, eure Schreib-Geschichten zu hören!

Habt eine schöne Zeit bis zum nächsten Blogbeitrag! 🙂

Poetische Lückenfüller #9

Wörter puzzeln, Wörter drehen,

bis sie Künstlern ähnlich sehen,

Wörter basteln, neu erfinden,

ohne dass sie dabei schwinden

Dichten, sagt man, dass ist schwer –

und ich glaub`es immer mehr.

 

Sehe fremde Zungen tanzen,

sehe andre Geister denken

wenn sie, ohne Firlefanzen,

Reim um Reim um Reim ausschenken.

Fühle, meine Fingerkuppen

sind zu taub, um so zu schaffen,

trotz dem, dass sie sich bei jedem

kleinen Funken Licht aufraffen.

 

Fühle, so wie diese schreiben, diese Sätze, dieser Takt

diese Kraft, mit der es einen

sonst nur bei großen Wellen packt,

kann ich nicht dichten, auch nicht schreiben,

kann nur mit meinen blassen Farben

an  einer Mischmaschine bleiben.

 

Aber Wörter, Wörter hab`ich,

Wörter habe ich zu Hauf

und so lange, wie sie bleiben, 

schreibe ich sie weiter auf.

Schreib für mich und schreib für`s Schreiben,

schreib für jeden, dem`s gefällt,

denn es gibt zu viele Dichter,

doch auch eine große Welt.

Mit der Zeit, da findet Tinte

eine Form, die zu ihr passt,

keine Angst, es wird sich fügen,

wenn ihr sie nur fließen lasst.

 

So, da bin ich wieder! Nur kurz, aber besser als nichts. Viel Spaß mit diesem kurzen Gedicht, und eine schöne Zeit!

Ankündigung

Nach einigen Wochen offline melde ich mich dann auch wieder zurück. Den Beitrag diese Woche möchte ich gerne nutzen, um ein paar Änderungen anzukündigen.

Es ist ein trauriger Fakt, dass ein Tag nur 24 Stunden hat – was bedeutet, dass die Zeit, die uns allen tagtäglich zur Verfügung steht, ist ziemlich begrenzt ist. Mir ist in den letzten Monaten aufgefallen, dass ich Schwierigkeiten habe, all die Dinge, die ich mir vornehme in dieser begrenzten Zeit zu erledigen. Wohl oder übel bedeutet das, dass ich in einigen Bereichen etwas zurücktreten muss. Das betrifft leider auch diesen Blog.

Versteht mich nicht falsch: Unter keinen Umständen bedeutet das, dass ich nichts mehr hochladen werde. Die Beiträge werden allerdings nicht mehr regelmäßig kommen, wie bisher, und mit großer Wahrscheinlichkeit werden die Abstände zwischen den Uploads sich vergrößern. Vielleicht sogar sehr.

In den letzten zwei Jahren habe ich mir alle Mühe gegeben, einmal die Woche einen Beitrag zu schreiben, sofern es irgend möglich war, aber von jetzt an werde ich das nur noch tun, wenn ich genügend Zeit habe.

Obwohl es sicherlich eine Erleichterung sein wird, etwas mehr Luft für meine restliche Schreibarbeit, meinen Freiwilligendienst und mich selbst zu haben, muss ich sagen, dass die Entscheidung ein bisschen weh tut. Egal wie anstrengend es sein kann, sich jede Woche einen neuen Beitrag aus den Fingern zu saugen, es hat mir viel Spaß gemacht und es hat mir wirklich dabei geholfen, mich an selbstgeplante Deadlines und selbstverwaltete Arbeit zu gewöhnen. Es fühlt sich außerdem komisch an wenn man etwas, in das man so viel Arbeit gesteckt hat, so zur Seite schiebt.

Ich hoffe einfach, dass ich noch oft dazu kommen werde, meinem Blog wieder einen Besuch abzustatten – und dass ein paar von euch vielleicht weiterhin vorbeischauen.

Ich bin dann mal wieder weg und schreibe am meinem Buch, aber ich komme wieder ;).

Bis dahin, eine schöne Zeit!

Warum ich „Reckless – Steinernes Fleisch“ von Cornelia Funke liebe

Manchmal kommt es vor, dass man bei all dem Schreiben ganz das Lesen vergisst. Ziemlich Schade, wie ich finde. Deswegen nehme ich mir ab jetzt hin und wieder die Zeit, ein altes Buch aus dem Regal zu kramen und einen Blogbeitrag darüber zu verfassen. Was macht dieses Buch aus? Und warum habe ich es so gerne gelesen? Darum soll es in dieser Reihe gehen. Den Anfang macht, wie der Titel verrät, Cornelia Funkes „Reckless“-Reihe. Ich habe Spoiler vermieden, wenn ihr was das angeht aber sehr empfindlich seid, solltet ihr vielleicht zuerst das Buch lesen.

 

Worum geht es?

Hatte ich nicht neulich noch über Märchen gesprochen? Tja, in diesem Buch erwachen sie alle zum Leben, wenn auch anders, als man es sich vielleicht vorstellt: Als Jacob Reckless den mysteriösen Spiegel im Arbeitszimmer seines Vaters entdeckt, öffnet sich ihm eine neue Welt. Das ist wortwörtlich gemeint, denn der Spiegel entpuppt sich als Portal in eine andere Realität, in der Märchengestalten genauso alltäglich und real sind wie der Sonnenaufgang. Zwölf Jahre später hat er diese Welt zu seinem zweiten Zuhause und sich selbst einen Namen als begnadeter Schatzjäger gemacht. Ein Rapunzelhaar, ein Tischlein-deck-dich, alles kein Problem. Jacob Reckless kann es finden. Doch dann folgt sein Bruder Will ihm hinter den Spiegel und fällt einem gefährlichem Fluch zum Opfer. Was folgt ist ein Rennen gegen die Zeit, das Jacob nur sehr ungern verlieren würde…

Worldbuilding

„Was willst du hier?“, flüsterte die fremde Nacht ihr zu, „welche Haut soll ich dir geben? Willst du Fell? Willst du Stein?“

Cornelia Funke, „Reckless – Steinernes Fleisch“

Ich glaube, ich habe selten so viele Sagen und Erzählungen so nahtlos in eine gemeinsame Geschichte einfließen sehen. Die bekanntesten Märchen der Grimms sind alle irgendwo in die Kulisse der Spiegelwelt eingepinselt, auf herrlich unaufdringliche Art. Dabei schwingt dem Ganzen auch ein Gefühl der Entzauberung mit: Ja, Märchen sind real. Und sie sind ziemlich bedrohlich, dreckig und angsteinflößend, wenn man nicht mit ihnen umzugehen weiß. Am Rande der Geschichte landen Jacob und seine Begleiter in einem mit Rosen zugewucherten Schloss. Doch der Prinz ist dort wohl nie angekommen: Die Prinzessin samt Gefolge sind mittlerweile nahezu mumifiziert. Ungefähr die Hälfte der Wesen am Wegesrand hat es auf Leib und Leben der Protagonisten abgesehen, und die Adeligen intrigieren hinter dem Spiegel genauso wie in den Geschichtsbüchern.

Obwohl so viele Märchen und Legenden im Hintergrund präsent sind, gelingt es, eine vollkommen eigenständige Geschichte zu erzählen. Die alten Sagen sind nur das Bühnenbild, vor dem die Brüder reiten, oder, viel mehr noch, das Werkzeug in Jacobs Tasche.

Es gibt auch einige Elemente, die nicht aus Märchen entnommen wurden. Die gefürchteten Goyl, die sehr wichtig für den Verlauf der Geschichte sind, existieren zum Beispiel nur in diesem Buch.

Was ich persönlich immer sehr gerne an dem Buch mochte, waren die kleinen Spielereien in der Namensgebung. Das fängt schon bei Will und Jacob Reckless selbst an: Es wird wohl kaum ein Zufall sein, dass so viele der Geschöpfe, denen sie begegnen, von ihren Namensvettern Jakob und Wilhelm Grimm zu Papier gebracht wurden.

Im Vergleich dazu hat es wirklich viel zu lange gedauert, bis mir auffiel dass Ähnliches auch mit den Namen der Länder hinter dem Spiegel passiert war. Hier wird allerdings mit den Namen realer Länder gespielt: Das Land, in dem Jacob sich aufhält, trägt beispielsweise den Namen „Austrien“ und wir von der Hauptstadt „Vena“ aus regiert. Klingelt da etwas?

In den späteren Bänden werden übrigens auch die Sagenwelten anderer Länder erkundet, auf ähnliche Weise.

Charaktere

(…) in dieser Welt gab es für alles eine Medizin. Er musste sie nur finden.

Cornelia Funke, „Reckless – Steinernes Fleisch“

Die Charaktere sind ohne Zweifel das Beste an diesem Buch. Jacob Reckless gehört wohl zu den wenigen Fantasyprotagonisten, die den Konflikten ihrer Welt neutral gegenüber stehen. Er verfolgt tatsächlich nur seine eigenen Interessen. Dabei erweckt er allerdings nie den Eindruck von Selbstsucht oder Egoismus, ganz im Gegenteil: Jacob versucht nach Leibeskräften, seinen Bruder und seine Beglieterin Fuchsnzu schützen. Er ist nicht perfekt, sicher, immerhin hat sein Drang, seiner Heimatwelt zu entfliehen, ihn immer weiter von seiner Familie entfernt, aber es macht Spaß, ihn bei seiner Suche zu begleiten. Für Jacob scheint nichts wirklich unmöglich. Er muss nur der richtigen Legende folgen, um irgendeinen Zauber oder Gegenstand in die Hände zu bekommen, der das Problem für ihn beseitigt. Das klappt nicht immer so richtig, aber in den meisten Fällen verschafft es ihm zumindest mehr Zeit.

Diese Neutralität des Protagonisten bringt den Leser in eine ziemlich seltene Situation. In der Welt hinter dem Spiegel herrscht Krieg, die Goyl  gegen die Menschen. Es ist in der Geschichte ziemlich präsent, aber dadurch, dass der Protagonist keine Stellung bezieht, müssen wir das auch nicht. Das Buch erwartet von uns nicht, dass wir eine der Seiten als „Gut“ oder „Böse“ ansehen, und so können wir sowohl mit dem starken Goylkönig Kami`en, den die Menschenwelt fasziniert, als auch mit der berechnenden Kaiserin Therese von Austrien sympathisieren. Wir können es aber auch bleiben lassen.

Auch die anderen Charaktere haben ihr Päckchen zu tragen. Fuchs, die Gestaltenwandlerin mit der schweren Kindheit, deren geliebtes Fell ihr langsam die Lebenszeit raubt, oder Clara, die Krankenschwester, die sich auf der Suche nach ihrem Freund in diese Märchenwelt verirrt hat, und sich jetzt wohl oder übel mit ihren Schrecken anfinden muss. Will, der sanftere der Brüder, verliert sich langsam in dem Stein, den der Fluch einer Fee in seiner Haut wachsen lässt. Die Beziehungen zwischen den Protagonisten ist sehr glaubhaft und sehr schön illustriert, auch ihre persönlichen Sorgen und Nöte kommen immer wieder gut zum Vorschein, ohne zu penetrant zu wirken.

Das Buch bringt es irgendwie fertig, dass man sogar den verschlagenen Zwerg ins Herz schließt, der seine Auftritte nur damit verbringt, Jacob und die anderen (vielleicht) über den Tisch zu ziehen, und der eigentlich nur hinter Jacobs Goldbaum her ist. 

Schreibstil

Und er hörte wieder den Felsen zu. Ließ sie Bilder malen. Und zu Stein machen, was weich in ihm war.

Cornelia Funke, „Reckless – steinernes Fleisch“

Kann mir irgendjemand erklären, wie man die Innere Handlung der Figuren so fließend mit einer Umgebungsbeschreibung verweben kann? Ich habe nämlich keine Ahnung, wie die Autorin das hinbekommen hat. Das einzige,was ich weiß, ist, dass ich mir nur selten so sehr wünsche, Malen oder Zeichnen zu können, wie wenn ich dieses Buch lese. Es gibt einfach so viele Szenen, die direkt als bunte Bilder in meinem Kopf auftauchen, und das ist wirklich unglaublich.  

Viele der Verwandlungen, die verschiedene Charaktere durchlaufen, funktionieren auf zwei Ebenen. Fuchs zieht ihre Tiergestalt ihrer tatsächlichen vor, weil sie die Menschenhaut mit Verletzlichkeit verbindet, und während sowohl Wills Äußeres als auch sein Inneres langsam versteinert, spült es alte Vorwürfe an den abwesenden Bruder nach oben, die der verständnisvolle Jüngere wohl selbst nicht wahrhaben wollte.

Ich könnte vermutlich noch seitenlang weiter über dieses Buch schreiben, aber der Blogbeitrag muss an dieser Stelle dann doch ein Ende finden. Ich hoffe, ihr konntet mit diesem Format etwas anfangen. Es ist etwas, das ich von jetzt an gerne öfter machen würde.

Welche Bücher sind für euch auch nach Jahren noch echte Lieblinge? Lasst es mich ruhig wissen!

Zu guter letzt noch eine Ankündigung: Ich werde hier vermutlich in den nächsten zwei Monaten nichts mehr hochladen. Das ist also für eine Weile der letzte Beitrag. Aber danach bin ich wieder da!

Bis dann, und habt eine schöne Zeit!

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