Viele von euch wissen es wahrscheinlich nicht, aber ich bewege mich langsam, aber sicher auf meine Abitur zu – und damit auch auf mein großes Latinum. Ja, ihr habt richtig gehört, ich gehöre zu den Verrückten, die Latein tatsächlich auch in der Oberstufe weiter belegt haben. In meinem Fall sogar als Prüfungsfach.

Ich kann allerdings nicht sagen, dass ich diese Wahl bereue. Man stolpert doch über das ein oder andere, dass sich als interessant herausstellt, wenn man sich mit einer Sprache herumquält, die vom Großteil der Welt bereits zu Grabe getragen wurde – und eine davon ist der kuriose Imagewandel, denn einige zentrale Werke des antiken Elegikers Ovid, der zur Zeit des Kaisers Augustus schrieb, im letzten Jahrtausend erfahren haben.

Was ich mit Imagewandel meine? Nun ja, wenn man bedenkt, dass Ovids Schriften, hauptsächlich die „Amores“ und die „Ars amatoria“, auf spätere Werke wie die bekannteren Metamorphosen trifft dies nicht zu, zu seinen Lebzeiten als „Die Jungend verderbend“ angeklagt wurden – und heute fest im Kerncurriculum eines Gymnasiums eingeschrieben sind, kann man denke ich davon sprechen, dass sich das Image grundlegend gewandelt hat.

Ovid ist einer von vier Autoren, die in Vorbereitung auf das diesjährige Abitur von Relevanz sind, er reiht sich damit neben Seneca ( Ein Philosoph, der die Lehre der Stoa vertritt), Livius ( Ein Historiker, der die Geschichte Roms niedergeschrieben und dabei das klassische Wertesystem der Stadt am Tiber propagiert hat) und Cicero ( Ein Politiker und großer Rhetoriker, der über Staatsphilosphie schreibt aber leider im Leben immer die falschen Freunde hatte) ein. Was daran so bemerkenswert ist? Das jeder einzelne der drei anderen einen Bildungsanspruch hat, während Ovid bücherlang über ein fiktives ( oder auch nicht, man weiß es nicht so genau) Liebesleben jammert und Tipps verteilt, wie man ein Mädchen im alten Rom aufreißt.

Mein Lateinlehrer würde mir diesen Satz zwar um die Ohren hauen, weil Ovids Stil und schriftstellerische Fertigkeit seinen Platz in der Schule rechtfertigen, aber wenn wir mal ehrlich sind – vor diesem Hintergrund scheint Ovid bildungstechnisch keinen Mehrwert zu haben.

Bis auf eine einzigen Punkt.

Ich habe angefangen, die deutschen Übersetzungen von Ovids Texten zu lesen, und bin doch tatsächlich auf ein Merkmal gestoßen, dass Ovid von allen anderen Autoren, die mir im Lateinunterricht begegnet sind, unterscheidet und das ich für wichtig genug halte, um seinen Texten diese Bühne zu gewähren: Sie führen vor Augen, mehr, als alle anderen antiken Texte, dass es Menschen waren, die damals, vor gut zweitausend Jahren die italienische Hauptstadt bevölkerten.

Ich weiß, Ich weiß. Das ist keine Neuigkeit. Aber habt ihr jemals wirklich an diese Menschen gedacht? Die Antike liegt in so weiter Distanz zu uns, ihre Bewohner zu fernen Geschichtsstereotypen werden. Und die anderen Autoren ändern nicht allzu viel daran. Seneca sinniert über Theorien zum richtigen Leben. Livius feiert Helden, die ihre Hände verbrennen oder sich todesmutig in Flüsse stürzen. Alles schön und gut. Alles sehr lehrreich. Aber weit entfernt von unserer Realität.

Aber eine Seite, auf der das lyrische Ich darüber schreibt, dass seine Freundin sich die Haare gefärbt hat? Das ist eine winzig kleine Situation, die beschrieben wird, fast alltäglich.

Es ist eine Szene aus einem beliebigen Leben. Keine großen wissenschaftlichen Entdeckungen und auch keine Heldentat. Da ist nur ein Mensch.

Und egal, wie ungern ich die Amores lese ( Einiges will man auch einfach nicht wissen!), alleine, um sich das noch einmal ins Gedächtnis zu rufen, ist Ovid im Kerncurriculum auch abseits des Stils sinnvoll.

Bis nächste Woche!