Als ich meinen letzten Beitrag schrieb, ist mir etwas aufgefallen:

Ich hatte gerade die perfekte Möglichkeit verpasst, euch allen ein Wort/ einen Gruß um die Ohren zu hauen dass/den kein Mensch verstanden hätte und dann drei Absätze damit verbringen können, diese ominöse Aneinanderreihung von Buchstaben zu erklären – der Beitrag hätte sich quasi von selbst geschrieben!

„Es ist schon Schade“, habe ich gedacht, während ich den letzten Beitrag veröffentlichte, „Dabei könnte dieser Blog von Zeit zu Zeit ein wenig Abwechslung von Büchern gebrauchen – tja, es sollte wohl einfach nicht sein!“

Aber nichts da! Ideen für Beiträge sind viel zu wertvoll, als dass man sie einfach so wegen einer verpassten Gelegenheit links liegen lässt, also habe ich sie wieder aufgehoben, recycelt und in diesem Beitrag verbraten.

Lokale Bräuche!

Ja genau, ein Thema, dass bei genauerem Hinschauen beinahe genauso interessant ist wie jedes Fantasybuch!

(Ich meine das ernst, wenn ihr jemals die Chance habt ein Buch mit Sagen aus eurer Wohnumgebung in die Finger zu kriegen, nehmt es! Nach der Lektüre seit ihr auf jeden Fall Experten dahingehend, in welchen Tümpel angeblich Meerjungfrauen hausen und welcher Acker genau verflucht ist)

Einige von euch wissen vielleicht, dass ich in einer eher ländlichen Gegend wohne, dass bedeutet, ein Haufen mittelgroßer bis kleiner Dörfer liegt dicht aneinander, alle pflegen ihre scherzhaften Fehden untereinander und hinter jedem Ortsschild variieren gewisse Bräuche auf verschiedenste Art voneinander.

Nach gründlichem Austausch mit alten Klassenkameraden meine ich behaupten zu können, dass mein Heimatort traditionstechnisch am meisten zu bieten hat. ( Ohne Angeben zu wollen, natürlich 😉 )

Wie ich zu dem Schluss komme? Ganz einfach! In keinem unserer Nachbardörfer ist es so einfach für Kinder, um die Jahreswende herum den größtmöglichen Vorrat an Süßigkeiten zusammenzuklauben wie hier!

Zu Sylvester und Neujahr hat man hier nämlich gleich zweimal die Chance alle Häuser er erweiterten Nachbarschaft abzuklappern und Süßigkeiten zu erbitten. ( Für die, die aus dem Süßigkeitenalter heraus gewachsen sind, ist etwas stärkeres, das aus Flaschen ausgeschenkt wird, üblich, aber für mich hatten diese Bräuche nur als ich jünger war eine wirkliche Wichtigkeit, deswegen bleibe ich fürs erste bei der Kinderperspektive).

Den Anfang dieser beiden Bräuche macht am Silversterabend das sogenannte „Ümmekleren“, das vielleicht entfernt an Halloween erinnert: Kinder verkleiden sich als irgendeine Gruselgestalt. Wichtig dabei: Das Gesicht darf nicht zu sehen sein.

Wenn es dunkel wird, macht man sich dann auf den Weg und klingelt an diversen Häusern. Das besondere dabei: Man darf kein Wort sagen. Mucksmäuschenstill muss man seine Tüte aufhalten und hoffen, dass man nicht an einen dieser Spaßvögel gerät, die alles versuchen, um einen aus der Gruppe zum sprechen zu provozieren oder zum Lachen zu bringen – denn auch letzteres war zumindest bei und immer ein No-Go.

Ich erinnere mich, dass meine Schwestern und ich den Silvesternachmittag regelmäßig mit „Training“ verbrachten, bei dem einer versuchte den anderen zum lachen zu bringen und der andere natürlich alles tat, damit eben das nicht passierte. ( Wir gingen schließlich immer gemeinsam auf Süßigkeitenjagd, und niemand wollte, dass einer das Ganze versaute in dem er die Kontrolle verlor).

Hintergrund dieses Brauchs ist es wohl, dass vor dem neuen Jahr alle bösen Geister vertrieben werden sollten, woher wohl auch die Verkleidungen rührten.

Am nächsten Morgen, am ersten Januar, ging es dann weiter, und hier hat auch das Wort, dass ich eigentlich so gut im letzten Beitrag hätte verarbeiten können seinen Auftritt: „Minjor!“

Es ist so ziemlich unser Äquivalent zu „Frohes Neues!“ und wird nicht nur von Kindern benutzt, die es Hausbesitzern entgegenschreien um Süßes zu erhalten, sondern auch von anderen die sich in den ersten Tagen des neuen Jahres grüßen.

Was Kinder ( und vielleicht auch einige Ältere, wie gesagt, es gibt nicht nur Süßigkeiten )an diesem Morgen tun nennt sich „Minjor gehen“ und ist im Grunde auch genau das.

Dieses Mal macht man sich ohne Verkleidung auf den Weg und versucht, wenn die Tür eines Hauses geöffnet wird, laut „Minjor!“ zu rufen, bevor die öffnende Person es tut. Auch dafür gibt es Süßigkeiten.

Weil man meistens beide Male ungefähr dieselbe Runde abläut, versuchen einige Leute zu erraten, wer am vorigen Abend als was verkleidet war ( Das hier ist immer noch ein vergleichsweise kleiner Ort, was bedeutet dass jeder jeden und vermutlich auch deren Großmutter kennt, gerade, wenn die Kinder in der Nähe wohnen, und so kann man in den meisten Fällen wohl auch schon an der Personenanzahl und Größe einiges festmachen. Andere greifen auch auf den Schuhtrick zurück, sie merken sich, wer welche Schuhe anhatte), aber auch sonst bleibt man hier und da mal zum reden stehen.

Was diese Bräuche zu bedeuten haben? ich weiß es nicht. Man könnte vielleicht meinen, dass die fehlende Maskierung und die Erlaubnis, zu reden am ersten Januar symbolisch dafür steht, dass die schlechten Geister vom vorherigen Abend jetzt, im neuen Jahr, auch wirklich verschwunden sind, aber ich habe keine Ahnung.

Ich bin nur jemand, der an einem Punkt seines Lebens erschrocken feststellen musste, dass es sich bei diesen Bräuchen nicht um eine universal Anerkannte Einrichtung handelte. Seien wir ehrlich. Wenn man klein ist, dann ist die Vorstellung, dass irgendjemand etwas anders macht als man selbst das abwegigste der Welt.

Was für Bräuche gibt es in eurer Heimat?

Eine schöne Woche euch allen!