Relativ am Anfang einer Geschichte muss man als Geschichtenerzähler beginnen, sich Gedanken über die Kulisse der Handlung zu machen:  Wie ist das Klima? Ist es unwirtlich oder eher nicht? Wo gibt es Hindernisse für die Charaktere?

In einem früheren Beitrag bin ich schon einmal kurz darauf eingegangen, dass diese „Grundvoraussetzungen“ der Geschichte den Verlauf des Weges, den die Helden gehen müssen, in nicht geringer Weise beeinflussen. Trotzdem möchte ich mich heute einem etwas anderen Aspekt des Worldbuildings zuwenden, der nicht weniger wichtig ist und oft noch genauer im Kopf behalten werden muss als der der einfachen Umgebung: Die Bewohner des Landes, dass man imaginär aus dem Boden stampft.

Dabei sind vor allem zwei Dinge wichtig, vor allem in Fantasygeschichten: Die Kultur, die man seinen Elfen oder Orks auf den Leib schreibt, und in gewisser Weiße ihre Anatomie, die sie in einigen Punkten einschränken oder auch unterstützen kann und den Schreiber selber hin und wieder vor schwierige Aufgaben stellt.

Bei mir beginnen solche Überlegungen oft mit Fragen. Ein Beispiel hierfür wäre die Entstehung einiger Merkmale der Lichtelfen:

Von Anfang an war relativ klar, dass die Lichtelfen Wesen sein würden, die, wie der Name auch sagt, sehr vom Licht abhängig sein würden. Ihre starke Abneigung gegen Wasser kristallisierte sich beim ersten Schreiben ebenfalls immer stärker heraus, und ich begann mich zu fragen, wie eine Gesellschaft, die sich so konsequent vom einzigen Fluss weit und breit fernhielt, ihren eigenen Flüssigkeitsbedarf deckte. Daraus resultierte dann die Frage, ob sie überhaupt Wasser benötigten. Ich war bis dahin davon ausgegangen, dass Lichtelfen ganz ähnlich wie Menschen funktionieren müssten, aber jetzt begann ich, mit anderen Ideen herumzuexperimentieren.

Zum Beispiel mit der Idee, dass Lichtelfen nicht weinen konnten. So passend es gewesen wäre, in schlimmen Situationen das verhasste Element über ihre Wangen laufen zu lassen, es kam mir bei genauerem Nachdenken nicht richtig vor. Ich erklärte diesen Umstand damit, dass sie nur sehr wenig Flüssigkeit in ihrem Körper hätten. Dann erinnerte ich mich aber daran, dass Flüssigkeit, namentlich Blut, einige wichtige Aufgaben im Körper hat, nicht zuletzt den Transport von Nährstoffen und ähnlichem, also ersetzte ich es in den Adern der Lichtelfen durch eine Art Gas.

Das ist die Form, in der die Lichtelfen es ins fertige Buch geschafft haben. Aber es bedeutet auch, dass diese Besonderheiten de Anatomie berücksichtigt werden mussten.

Ich durfte Juna nicht weinen lassen, obwohl es in einigen Situationen aus menschlicher Sicht genau die erwartete Reaktion auf Dinge, die passierten, gewesen wäre. Wie oft habe ich während des Schreibens schon händeringend vor dem Laptop gesessen, weil jeder andere Charakter an dieser Stelle in Tränen ausgebrochen wäre, wie es sich gehört – aber meine kleine Lichtelfe eine Alternative brauchte, die ihren Gefühlszustand trotzdem deutlich machte.

Ähnliches geschah auch bei der Entwicklung der Fähigkeiten, die die Meerjungfrauen haben.

Sie verwandeln sich in Schatten. So weit, so gut. Aber wo hat ein Schatten Ohren oder Augen? Kann er sehen oder riechen? Ich entschied, dass Meerjungfrauen, die als Schatten ja über dem Boden glitten, die Vibrationen durch diesen hindurch spüren müssten. Außerdem müsste zumindest unter Wasser ihr Unterwassersinn noch funktionieren, denn eine Fähigkeit die einem im Wasser nicht erlaubte, andere Lebewesen, die den Boden nicht berührten, was auf sehr viele Wesen, die im Meer leben inklusive der Meerjungfrauen, die gerade keine Schatten sind, zutrifft, den Meerjungfrauen wohl wenig Nutzen bringen würde.

Erst vor kurzem bin ich über diesen Teil meines eigenen Worldbuildings gestolpert, als ich aus Alinas Perspektive, die als Schatten unter der Decke hing, eine größere Personenansammlung beschrieb.

Instinktiv schrieb ich die Passage so, als würde sie von oben auf die Menge herunterblicken, bevor mir einfiel, dass dies gar nicht möglich war. Ich musste die Szene streichen und noch einmal komplett neu schreiben, so, dass es mit ihrer Sinneswahrnehmung übereinstimmte, was auch auf den weiteren Verlauf der Szene einen nicht unerheblichen Einfluss hatte.

Die Schwierigkeit ist, diese Wesen nicht wie Menschen zu behandeln, die einfach nur ein paar Superkräfte haben und lustig aussehen, denn das sind sie nicht. Wenn alles richtig gemacht wird, sollte eine Fantasiewelt nicht nach unseren Maßstäben funktionieren müssen – sie muss anders sein dürfen. Und wir müssen ihr beim Schreiben ermöglichen, dass sie das auch durchhält.

Gleichzeitig müssen wir dafür sorgen, dass der Leser nicht komplett den Überblick verliert oder angesichts absurder oder unlogischer Eigenschaften der Welt den Zugang zur Geschichte verliert.

Ich könnte natürlich noch viel mehr Beispiele nennen, aber ich befürchte, dass würde den Rahmen des Beitrags sprengen.

Wenn trotzdem jemand wissen möchte, wo die Lichtelfen ihre großen Augen herhaben oder sonst etwas, das in diese Richtung geht – Ihr wisst ja, wo ihr mich findet 😉

Eine schöne Woche euch allen noch!